
Es gibt Augenblicke, in denen die Welt plötzlich zu laut wird. Gedanken rasen, der Boden unter den Füßen scheint zu schwanken.
Vielleicht kennen Sie solche Momente – wenn das Nervensystem in Alarmbereitschaft geht, ohne dass der äußere Anlass greifbar ist.
Gerade nach belastenden Erfahrungen reagiert unser inneres System oft schneller, als wir bewusst folgen können. Grübeln, Sorgen, innere Bilder – alles vermischt sich zu einem Gedankenkarussell, das schwer zu stoppen scheint.
Umso wertvoller sind kleine Übungen, die Sie in solchen Momenten behutsam zurück in Ihre Mitte führen können.
Das Gedankenkarussell unterbrechen
Eine sanfte Möglichkeit, um wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen, ist das rhythmische Zählen in einer anderen Sprache – im Einklang mit dem Atem. Sie lenken Ihre Aufmerksamkeit auf eine klare, wiederholbare Struktur: Zahlen – Atmung – Sprache.
Das Zählen hilft, das Gedankenkarussell zu unterbrechen und dem Grübeln eine Pause zu geben. Die Fremdsprache schafft einen zusätzlichen Fokuswechsel. Und der Atem bringt Ruhe in das vegetative Nervensystem.
So geht die Übung
1. Halten Sie kurz inne.
Setzen oder stellen Sie sich möglichst bequem hin. Spüren Sie den Boden unter sich.
2. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem.
Atmen Sie ein und aus – ganz in Ihrem Tempo.
3. Beginnen Sie, beim Ausatmen in einer anderen Sprache zu zählen.
Zum Beispiel auf Italienisch, Französisch, Englisch oder einer Sprache, die Sie mit etwas Positivem verbinden.
Uno… due… tre… quattro…
One… two… three… four…
Zählen Sie bis zehn – oder bis zwanzig. Wiederholen Sie den Zyklus ruhig mehrere Male.
4. Kehren Sie zurück.
Lassen Sie die Zahlen langsam los. Spüren Sie, wie sich Ihr innerer Raum anfühlt. Vielleicht etwas klarer. Etwas weiter. Etwas sicherer.
Warum die Übung bei Unruhe wirkt
Aus psychologischer Sicht gehört das rhythmische Zählen zu den sogenannten stabilisierenden Übungen. Es schafft Orientierung, bringt Struktur in innere Unruhe und kann wie ein leiser Gegenimpuls wirken – wenn alles in uns gerade durcheinander geht.
Der Wechsel in eine andere Sprache verstärkt diesen Effekt: Er fordert unsere bewusste Aufmerksamkeit, wodurch das automatische, reaktive Angstsystem kurz unterbrochen wird.
Der Atem als beruhigende Kraft
Gleichzeitig wirkt der Atem regulierend auf das vegetative Nervensystem – besonders dann, wenn das Ausatmen länger ist als das Einatmen. So kann sich im Körper wieder ein Gefühl von Sicherheit und Verankerung ausbreiten.
Was im Gehirn passiert
In Momenten innerer Überforderung wird unser System regelrecht überflutet. Das limbische System, insbesondere die Amygdala, schlägt Alarm – der Körper geht in Alarmbereitschaft oder sogar in den Überlebensmodus. Der präfrontale Cortex – jener Bereich im Gehirn, der für reflektiertes Denken, Planung und Selbstberuhigung zuständig ist – wird dabei kurzfristig gehemmt.
Genau hier setzt die Übung an: Durch das bewusste Zählen in einer anderen Sprache wird dieser präfrontale Bereich wieder aktiviert. Der Fokus verlagert sich vom inneren Alarm hin zu einer klaren, steuerbaren Struktur. Das Nervensystem erhält ein Signal von Orientierung – und beginnt sich sanft zu regulieren.
Eine kleine Umleitung mit großer Wirkung
Diese kognitive Umleitung hilft, das Gedankenkarussell zu verlangsamen, das Grübeln zu stoppen – und schrittweise wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Klarer. Sicherer. Ruhiger.